Bei uns im Garten stehen einige Kirschbäume – alte und neue Sorten. Die alten sind schon Jahrzehnte da, groß, knorrig, mit rauer Rinde und einem Schatten, wie ihn nur Zeit schafft. Welche Sorten das genau sind, wissen wir gar nicht mehr. Sie tragen dunkle, fast schwarze Früchte, süß und aromatisch, jedes Jahr ein bisschen anders.



Die neuen Sorten haben wir bewusst gesetzt – wegen der späten Blüte oder der festen Früchte. Manche sind früh dran, andere reifen erst im Juli.
Und dann gibt es da noch die Weichseln – die erkennt man sofort. Ihre Früchte sind kleiner, heller, deutlich säuerlicher. Ideal für Marmelade oder Kompott, aber pur eher etwas für Liebhaber.

Ursprünglich stammt die Süßkirsche (Prunus avium) aus dem Raum

rund um den Schwarzen und das Kaspische Meer. Schon in der Antike war sie bekannt und geschätzt. Der griechische Arzt und Botaniker Theophrast erwähnte sie im 4. Jahrhundert v. Chr., und der römische Feldherr Lucullus brachte sie laut Überlieferung im Jahr 74 v. Chr. aus Kleinasien nach Rom – genauer gesagt aus der Stadt Kerasos, dem heutigen Giresun in der Türkei. Von dort leitet sich auch das Wort „Kirsche“ ab. Innerhalb weniger Jahrhunderte verbreitete sie sich in ganz Europa.

Im Mittelalter waren Kirschbäume fester Bestandteil der Klostergärten. Benediktinermönche und später auch Zisterzienser kultivierten sie nicht nur als Nahrungsquelle, sondern auch wegen ihrer heilenden Wirkung. In vielen Regionen wurden Kirschbäume entlang von Wegen oder auf Gemeindeflächen gepflanzt – frei zugänglich für alle, ein frühes Beispiel für Allmende-Nutzung.

Ab dem 16. und 17. Jahrhundert wurde der Kirschanbau zunehmend verfeinert. Edelsorten wurden gezielt gezüchtet, regionale Kirschweine und -brände etablierten sich. In Österreich etwa gibt es bis heute Gebiete wie das „Kirschenland“ in der Südoststeiermark, das eine beeindruckende Sortenvielfalt bewahrt hat. Kirschkerne wurden nicht nur zum Wärmen verwendet, sondern auch zum Spielen – ganze Kinderspiele rankten sich um Kirschkerne, von Wettspucken bis zur Rechenhilfe beim Zählen.

In Japan wurde die Kirsche, besonders die Zierkirsche (Sakura), zu einem nationalen Symbol. Ihre Blüte steht für Schönheit und Vergänglichkeit, für die Flüchtigkeit des Augenblicks. Auch in Europa entwickelte sich die Kirschblüte zu einem Frühlingssymbol, das Hoffnung und Wiederkehr ausdrückt.

Kulturell spielte die Kirsche immer wieder eine Rolle – in der Kunst, in der Literatur, in der Symbolik. In der christlichen Ikonografie galt sie als Frucht der Himmelskönigin Maria, Symbol der Reinheit und Gnade. Gleichzeitig wurde sie auch zum Zeichen der Sinnlichkeit und des Begehrens. In der Volksdichtung steht sie oft für Jugend, Liebe und Übermut – kein Wunder, dass sie in vielen Liedern und Gedichten auftaucht.

Die Kirsche ist für mich nicht nur ein Obstbaum, sondern ein Stück Sommergeschichte. Schon als Kind habe ich die ersten reifen Kirschen direkt vom Baum gepflückt, mit roten Fingern und einem Kern im Mund. Heute schätze ich die Kirsche auch wegen ihrer gesundheitlichen Wirkung. Die tiefrote Farbe kommt von Anthocyanen – das sind sekundäre Pflanzenstoffe, die im Körper Entzündungen hemmen können. Auch bei Gicht und Arthritis werden Kirschen traditionell empfohlen. Sie wirken leicht entwässernd, unterstützen Leber und Niere und sollen sogar den Schlaf verbessern, weil sie natürliches Melatonin enthalten. Kirschen sind also kleine Kraftpakete, auch wenn man sie auf den ersten Blick einfach nur süß findet.

Natürlich darf die Kulinarik nicht fehlen. Ein einfacher Kirschkuchen mit Rührteig, noch warm aus dem Ofen, mit oder ohne Streusel obendrauf. Oder ein Kompott mit Zimt und Zitronenverbene, das auch ohne Zucker richtig gut schmeckt. Wenn’s heiß ist, kommt ein Löffel davon über Naturjoghurt oder in mein selbstgemachtes Eis. Wer’s raffinierter mag, kann ein Chutney aus Kirschen, Zwiebeln und einem Hauch Rosmarin machen – passt wunderbar zu Grillkäse oder Wild.

Ein Kirschbaum ist für mich mehr als ein Baum. Er gehört zur Familie. Jedes Frühjahr freue ich mich auf seine Blüte, jedes Jahr schaue ich mit Spannung, wie viele Früchte es werden. Und jedes Jahr erinnere ich mich daran, dass so ein Baum mehr gibt als nur Obst: Erinnerung, Duft, Geschmack und ein kleines Stück Gesundheit.

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