Wer meinen Garten das erste Mal betritt weiß es sofort, ich liebe Lavendel. Wenn es eine Pflanze gibt, die den Sommer konservieren kann, dann ist es der Lavendel. Wer einmal durch ein blühendes Lavendelfeld gegangen ist – ob in der Provence oder im eigenen Garten –, weiß, was ich meine. Dieses Summen der Bienen, der schwere, beruhigende Duft in der warmen Luft und das tiefe Lila, das fast schon blau leuchtet, wenn die Sonne darauf fällt – das ist keine Pflanze, das ist ein Lebensgefühl.

Lavendel begleitet die Menschheit seit der Antike.

Die Römer wussten seine antiseptischen Eigenschaften zu schätzen und badeten in Lavendelwasser – daher übrigens auch der Name: vom lateinischen lavare, was “waschen” heißt. Im Mittelalter war Lavendel ein fester Bestandteil der Klostergärten, wo er gegen Kopfschmerzen, schlechte Laune und allerlei Dämonen eingesetzt wurde – wobei Letzteres eher ein therapeutischer Placeboeffekt war, aber ein schöner. Im viktorianischen England galt Lavendel als absolut damenhaft, man parfümierte Handschuhe, Wäsche und sogar Briefe damit. Und spätestens da hatte der Lavendel den Sprung von der Medizin in die feine Gesellschaft geschafft.

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in der Vergangenheit war der Lavendel sozusagen die Alarmanlage des Mittelalters. Man band ihn zu kleinen Sträußchen und hing ihn an Türen oder über das Bett, um Hexen, Dämonen und schlechte Träume fernzuhalten. Man glaubte sogar, dass Lavendel den Teufel selbst vertreiben könne – vielleicht, weil der Duft so stark ist, dass selbst ein alter Satansbraten Reißaus nehmen würde. In der Volksmagie galt er auch als Liebeszauber: Ein Beutel Lavendel unter dem Kopfkissen sollte den künftigen Liebsten im Traum erscheinen lassen.

Heilpflanze ist der Lavendel bis heute geblieben. Er wirkt beruhigend, krampflösend, entzündungshemmend und schlaffördernd. Lavendelöl gehört in jede Hausapotheke – pur bei Insektenstichen, ein paar Tropfen auf dem Kissen gegen Einschlafprobleme oder als Badezusatz für gestresste Nerven. Innerlich wirkt er bei nervösen Magenbeschwerden, Unruhe und Kopfschmerzen. Nur bitte: immer auf die Qualität achten – echtes Lavandula angustifolia-Öl in Bioqualität, nicht das billige Lavandin oder synthetisch hergestellte Zeug. Denn wo Lavendel draufsteht, ist noch lang nicht echter Lavendel drin.

In der Schwangerschaft und bei Kindern nur auf Anraten und nach Absprache mit Arzt oder Hebamme verwenden.

Im Garten ist Lavendel ein unkomplizierter Mitbewohner – vorausgesetzt, man behandelt ihn wie den Mittelmeerbewohner, der er ist. Viel Sonne, durchlässiger Boden, wenig Dünger. Staunässe ist sein Tod, also bitte keine Blumenerde vom Discounter und keine tägliche Gießkanne. Einmal etabliert, kommt er sogar mit Trockenheit klar und ist ein wunderbarer Bienenmagnet. Am besten schneidet man ihn zweimal jährlich: im Frühling kräftig zurück, im Sommer nach der Blüte sanft. Dann bleibt er buschig und kompakt – sonst verholzt er und wird beleidigt.

Bei den Sorten wird’s dann spannend. Da gibt es den echten Lavendel (Lavandula angustifolia), der in der Naturheilkunde und Parfümerie verwendet wird – er ist eher niedrig wachsend und hat einen sanften, feinen Duft. Dann gibt es den Speiklavendel (Lavandula latifolia), der etwas robuster ist, einen kräftigeren Duft hat und mehr Kampfer enthält – gut für Muskelöl, aber nicht für empfindliche Nasen. Und schließlich das Lavandin (Lavandula x intermedia), eine Kreuzung aus beiden – er ist besonders ertragreich, wird industriell angebaut und hat diese typische Seifen- und Schrankduftnote, die manche lieben und andere an die Parfümerieabteilung im Möbelhaus erinnert. Für den Garten sind Sorten wie ‘Hidcote Blue’ (kompakt und dunkelviolett), ‘Munstead’ (früh blühend) oder ‘Dwarf Blue’ (für Töpfe) empfehlenswert. Wer’s exotisch mag, pflanzt weißen Lavendel oder die gefransten Varianten.

Und was macht man jetzt mit dem Lavendel, außer ihn verliebt anzuschauen? Viel! Erstens: Sirup. Einfach 500 ml Wasser mit 500 g Zucker aufkochen, eine Handvoll frischer Lavendelblüten (keine Stiele!) hineingeben, 24 Stunden ziehen lassen, abseihen, in Flaschen füllen – fertig ist der beruhigende Gute-Nacht-Sirup. Zweitens: Lavendelzucker – Blüten mit Zucker im Glas schichten, nach einer Woche hat man einen wunderbar aromatischen Zucker für Kekse, Desserts oder Lavendelmilch. Drittens: Lavendel-Honig – einfach ein paar Blüten in ein Glas guten Honig geben, zwei Wochen stehen lassen, dann abseihen. Viertens: Lavendelkekse – besonders fein mit Zitronenabrieb. Und fünftens: Lavendelessig – Weißweinessig mit Lavendelblüten und ein paar Pfefferkörnern ansetzen, ergibt einen floralen Spritzer für Sommersalate.

Ach ja, und wer meint, Lavendel gehört nur in Omas Wäscheschrank: Der war nie auf einem Balkon mit Lavendelblüte, einem Glas Lavendellimonade in der Hand und den Füßen im Wasserbottich. Lavendel beruhigt nicht nur den Magen, sondern auch den Geist. Und ganz ehrlich: In dieser Zeit brauchen wir beides. Am besten sofort einen Busch pflanzen – oder gleich fünf. Die Bienen danken es dir. Dein Nervensystem auch.

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