
Der Granatapfel – allein das Wort klingt schon nach Geschichten aus längst vergangenen Zeiten. Nach orientalischen Märkten, goldenen Teppichen, verschwörerischem Flüstern und duftenden Speisen. Und genau das ist er auch: eine Frucht voller Geschichte, Symbolik und Kraft. Eine Frucht, die nicht nur in alten Mythen, sondern mittlerweile auch in unserem Garten einen Platz gefunden hat.
Eine Frucht mit Geschichte
Schon in der Antike galt der Granatapfel als Symbol für Leben, Fruchtbarkeit und Wiedergeburt. In der griechischen Mythologie ist es Persephone, die vom Granatapfel isst und dadurch an die Unterwelt gebunden wird – was letztlich den Wechsel der Jahreszeiten erklärt. Auch in der jüdischen, christlichen und islamischen Kultur spielt er eine bedeutende Rolle: als Zeichen für Fülle, Reinheit und göttliche Ordnung. Manche behaupten sogar, der Apfel im Paradies sei in Wahrheit ein Granatapfel gewesen. Und wenn man sich die prall gefüllten Kammern dieser Frucht anschaut, könnte das wirklich stimmen.
Vor ein paar Jahren haben wir beschlossen, es einfach zu probieren. Die Winter werden milder, die Sommer heißer – warum also nicht mal Granatapfelbäumchen im Südburgenland pflanzen? Und siehe da: Sie wachsen. Langsam, aber kraftvoll. Der Granatapfel ist ein Sonnenkind. Er liebt Wärme, einen durchlässigen, eher trockenen Boden und vor allem viel Licht. Staunässe mag er gar nicht, dafür verträgt er Trockenheit erstaunlich gut. In raueren Regionen lohnt es sich, die Pflanzen in großen Kübeln zu ziehen, damit man sie bei Frost nach drinnen holen kann.
Ein riesiger Vorteil: Die späte Blüte. Während Apfel und Kirsche oft schon Ende April alles gegeben haben und beim ersten Kälterückfall zittern, blüht der Granatapfel erst im späten Frühling oder sogar im Frühsommer. Seine leuchtend orangeroten Blüten sind eine Augenweide – intensiv, fast schon dramatisch, und ein Magnet für Insekten. Und auch wenn nicht jede Blüte zur Frucht wird, allein ihr Anblick ist es wert, ihn zu pflanzen.

Was den Granatapfel auch so faszinierend macht, ist das, was in ihm steckt. Die glänzenden, rubinroten Kerne (genauer gesagt: Samen mit Saftmantel) enthalten eine beeindruckende Menge an sekundären Pflanzenstoffen – allen voran Polyphenole wie Punicalagin, Ellagsäure und Anthocyane. Diese wirken stark antioxidativ, das heißt, sie schützen unsere Zellen vor schädlichen freien Radikalen. Dazu kommen:
- Vitamin C – gut für Immunsystem und Haut
- Vitamin K – wichtig für die Blutgerinnung
- Kalium – unterstützt Herz- und Muskelfunktion
- Ballaststoffe – fördern die Verdauung
- Folsäure – essenziell für Zellteilung und Wachstum
In der traditionellen Medizin wird Granatapfel seit Jahrhunderten bei Entzündungen, Durchfall, Bluthochdruck und Wechseljahresbeschwerden eingesetzt. Auch die Schale wird in der Naturheilkunde verwendet – etwa als Tee gegen Darmparasiten oder zur Wunddesinfektion. Und die Samenöl-Extrakte finden sich zunehmend in Naturkosmetik – wegen ihrer hautstraffenden Wirkung.

Die Kerne übers Müsli, ins Joghurt, oder pur gelöffelt. Im Salat sorgt er für Frische und Knack – besonders gut passt er zu Rucola, Ziegenkäse oder Linsen. Auch als Topping über Ofengemüse oder Hummus ist er ein Highlight.
Ein echter Geheimtipp: Granatapfelsirup (auch „Grenadine“ genannt), der in orientalischen Rezepten oder Cocktails zum Einsatz kommt.
Der Saft – frisch gepresst – schmeckt nicht nur wunderbar, sondern soll auch den Blutdruck senken und Entzündungen im Körper reduzieren. Nur beim Entkernen braucht man ein wenig Geduld und Fingerspitzengefühl – oder eine große Schüssel Wasser, unter der sich die Kerne leichter von der Schale lösen lassen, ohne dass man danach aussieht, als hätte man ein Massaker veranstaltet.

Ich glaube, der Granatapfel ist eine dieser Pflanzen, die man nicht nur wegen ihrer Frucht, sondern wegen ihres Wesens liebt. Weil sie schön ist, weil sie alt ist, weil sie uns etwas erzählt – von Hitze und Sonne, von Wurzeln in trockener Erde, von Geduld und innerem Reichtum. Und weil sie genau dann blüht, wenn vieles andere schon aufgegeben hat.
Vielleicht ist das das Schönste am Granatapfel: dass er so viel Kraft in sich trägt, ohne laut zu sein. Und dass man ihn nicht einfach „verzehrt“, sondern irgendwie auch feiert. Jeden einzelnen Kern.
