Die Kamille begleitet den Menschen seit Jahrtausenden – als Heilpflanze, Symbol der Sonne und sanfte Helferin in unzähligen Lebenslagen. Ihre Geschichte reicht weit zurück: Schon die alten Ägypter nutzten sie, um Fieber zu senken und Krankheiten zu vertreiben. Sie war dem Sonnengott Re geweiht, und ihre goldgelben Blütenmitten galten als sichtbarer Ausdruck der Sonnenkraft. Auch im antiken Griechenland kannte man die Kamille gut – Hippokrates und Dioskurides erwähnten sie als linderndes Mittel bei inneren und äußeren Beschwerden.

Im Mittelalter wurde die Kamille zum festen Bestandteil der klösterlichen

Heilpflanzenkunde. Besonders Hildegard von Bingen und später die Ärzte der Volksmedizin empfahlen sie bei “verhärteten Gliedern”, „wilden Säften“ im Bauch und bei seelischer Unruhe. Ihre beruhigende Wirkung wurde nicht nur medizinisch geschätzt – auch im Brauchtum hatte die Kamille eine besondere Bedeutung.

In vielen Regionen Europas galt sie als Pflanze des Lichts. Wer Kamillensträußchen im Haus aufhängte, schützte sich angeblich vor Krankheit und “bösem Einfluss”. Kamille durfte in keinem Kräuterbuschen fehlen, der zu Mariä Himmelfahrt geweiht wurde – sie stand für Reinheit, Heilung und weibliche Kraft. In manchen Gegenden hieß es, dass man mit der ersten Kamillenblüte des Jahres einen Wunsch freisetzen könne, wenn man beim Pflücken etwas Gutes im Herzen trug. Für Neugeborene legte man Kamillenblüten unters Kopfkissen, um sie mit Gesundheit und sanftem Schlaf zu segnen.

Besonders wichtig ist es, zwischen zwei Arten zu unterscheiden, die häufig verwechselt werden: der Echten Kamille (Matricaria chamomilla) und der Römischen Kamille (Chamaemelum nobile). Beide duften ähnlich und wirken beruhigend, doch sie unterscheiden sich in Herkunft, Inhaltsstoffen und Anwendung.

Die Echte Kamille, die auch bei uns in Mitteleuropa wild wächst, hat einen hohlen Blütenboden und verströmt einen süß-würzigen Duft. Sie wird meist einjährig kultiviert und ist die klassische Kamille in der Volksmedizin. Ihre Wirkstoffe – darunter Bisabolol, Chamazulen und Flavonoide – sind stark entzündungshemmend, krampflösend und antibakteriell. Sie wirkt besonders auf den Magen-Darm-Trakt, bei Menstruationsbeschwerden, innerer Unruhe und leichten Entzündungen der Haut oder Schleimhäute.

Die Römische Kamille hingegen ist eine mehrjährige Pflanze mit einem gefüllten, markigen Blütenboden. Ihre Wirkung ist milder und wird vor allem in der Homöopathie und Aromatherapie geschätzt. Ihr Duft ist feiner, fast ein wenig apfelig, und sie wird gern als entspannende Komponente in Badezusätzen, Ölen und kosmetischen Produkten verwendet.

Beide Pflanzen teilen sich den Namen, doch die Echte Kamille ist diejenige, die sich in der mitteleuropäischen Volksmedizin durchgesetzt hat. Sie findet sich auf alten Bauernkalendern, in Klosterbüchern, Hausmitteln und traditionellen Teemischungen.

Die Anwendungsmöglichkeiten der Kamille sind erstaunlich vielseitig: Man kann sie als Tee trinken – bei Bauchweh, Husten, Einschlafproblemen oder Unruhe. Man kann sie inhalieren – bei verstopfter Nase und Nebenhöhlenentzündung. Als Umschlag hilft sie bei gereizter Haut, und als Sitzbad lindert sie Beschwerden im Intimbereich.

Doch die Kamille ist mehr als Medizin. Sie ist ein Stück Kulturgeschichte, ein Symbol für Sanftheit und mütterliche Fürsorge. Ihr goldener Blick zur Sonne erinnert daran, dass Heilung oft im Kleinen beginnt – mit einer Tasse Tee, einem Moment Ruhe, einem duftenden Sträußchen am Fensterbrett.

In einem Naturgarten darf die Kamille daher nicht fehlen. Sie zieht Nützlinge an, bringt Licht ins Beet und erinnert uns daran, dass die stärkste Kraft oft in der Stille liegt. Wer ihr einmal beim Blühen zugesehen hat, während die Bienen sich daran laben, weiß: Diese Pflanze ist ein Schatz – gestern wie heute.

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