Die Weiße Taubnessel ist eine jener Pflanzen, die oft übersehen werden – still wachsend am Wegrand, unter Hecken oder in lichten Gärten. Auf den ersten Blick ähnelt sie der Brennnessel, doch wer sie berührt, merkt schnell: Sie brennt nicht. Ihre weichen, gezähnten Blätter und die typischen weißen Lippenblüten zeigen, dass sie zu den Lippenblütlern gehört – verwandt mit Kräutern wie Melisse, Minze oder Salbei.

Ihr botanischer Name Lamium album bedeutet „weiße Nessel“, doch mit der echten Brennnessel hat sie botanisch nichts zu tun.

Die Weiße Taubnessel wächst auf nährstoffreichen, gerne leicht feuchten Böden und liebt halbschattige Plätze. Ihre Blütezeit reicht von April bis in den Herbst hinein, besonders wenn sie regelmäßig beerntet wird. Ihre Blüten wachsen in Etagen zwischen den Blattachseln und sind eine wertvolle Nahrungsquelle für Hummeln und Wildbienen. Mit ihrem langen Rüssel tauchen die Insekten tief in die Blüte ein und sichern so die Bestäubung. Besonders im zeitigen Frühjahr, wenn andere Blüten noch fehlen, leistet die Taubnessel einen wichtigen Beitrag für die ersten fliegenden Bestäuber.

In der traditionellen Heilkunde wird die Weiße Taubnessel vor allem für ihre sanfte, beruhigende Wirkung geschätzt. Ihre Blüten enthalten Schleimstoffe, Flavonoide, Gerbstoffe, Saponine und ätherisches Öl – eine wertvolle Kombination für entzündungshemmende und reizlindernde Anwendungen. Als Tee wird sie gerne bei Reizhusten, Magen-Darm-Beschwerden oder zur Unterstützung des Stoffwechsels getrunken. In der Frauenheilkunde spielt sie eine besondere Rolle: Sie wird eingesetzt bei Weißfluss, leichten Menstruationsbeschwerden und Unterleibsentzündungen – traditionell in Form von Tees, Sitzbädern oder Waschungen.

Ein Tee aus den Blüten ist einfach zuzubereiten: Ein Teelöffel frischer oder getrockneter Blüten wird mit 250 ml heißem Wasser übergossen, etwa acht bis zehn Minuten ziehen gelassen und kann dann zwei- bis dreimal täglich getrunken werden. Für Bäder oder Umschläge nimmt man zwei Esslöffel Blüten auf einen Liter Wasser, lässt sie kurz aufkochen, zieht den Sud ab und verwendet ihn äußerlich.

Auch kulinarisch ist die Weiße Taubnessel nutzbar: Die jungen, zarten Blätter können roh oder gedünstet wie Spinat verwendet werden. Ihr Geschmack ist mild und leicht nussig. Besonders hübsch und überraschend süßlich sind die weißen Blüten – sie eignen sich wunderbar als essbare Dekoration für Salate, Kräuterbutter, Wildkräuterlimonade oder Desserts.

In der Natur ist sie ein echter Mehrwert: Durch ihre lange Blütezeit und ihr reiches Nektarangebot zieht sie eine Vielzahl von Insekten an. Wer sie im Garten wachsen lässt oder sogar bewusst pflanzt, unterstützt die heimische Artenvielfalt und bringt gleichzeitig eine alte Heilpflanze in den eigenen Alltag zurück.

In der Volksmagie galt die Taubnessel als schützendes und reinigendes Kraut. Besonders in der Frauenheilkunde wurde sie als Pflanze der Klärung und sanften Kraft verehrt. Sie wurde in Kräuterbüschel gebunden, die an Maria Himmelfahrt geweiht wurden, und galt als stilles Symbol für weibliche Stärke, Ausgleich und innere Ruhe.

Die Weiße Taubnessel ist eine Pflanze, die weder laut noch auffällig ist – und doch trägt sie in ihrem sanften Wesen eine stille, heilende Kraft. Wer sich die Zeit nimmt, sie bewusst wahrzunehmen, entdeckt in ihr eine treue Begleiterin, die seit Jahrhunderten in der Volksheilkunde geschätzt wird – ganz ohne Aufhebens, aber mit tiefem, stillem Wissen.

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